Zieloffene Suchttherapie
Zieloffene Suchttherapie –
vom Abstinenzparadigma zu individualisierten Therapiezielen
Für viele Menschen mit Suchterkrankungen ist eine dauerhafte lebenslange Abstinenz zentrales Therapieziel. Dies ist insbesondere bei Alkoholabhängigkeit der Fall. Trotz guter Erfolge von Entwöhnungsbehandlungen und eines flächendeckenden bundesweiten Therapieangebotes werden nur ca. 15% aller Abhängigen mit dieser Therapieform erreicht. Für viele Menschen stellt das Abstinenzgebot eine hohe Hürde dar. Entwöhnungsbehandlungen werden deshalb häufig abgelehnt.
Hinzu kommt, dass auch Menschen, die sich hochmotiviert für eine oder auch mehrere Entwöhnungsbehandlungen im Laufe ihres Lebens entscheiden, rückfällig werden und ihnen eine lebenslange Abstinenz nicht gelingt. Auch deshalb sind alternative Behandlungsziele zur Schadensminimierung sinnvoll.
Vorteile einer zieloffenen Suchttherapie
Die Möglichkeit einer zieloffenen Suchttherapie erweitert das bestehende Therapieangebot der Suchthilfe mit Abstinenzgebot um Behandlungen mit individuellen Zielvereinbarungen. Alternativ zur Abstinenz kann eine Trinkmengenreduktion Weg und Ziel der Behandlung sein. Die Wirksamkeit einer solchen zieloffenen Behandlung konnte in mehreren Studien nachgewiesen werden.
Die Vorteile einer zieloffenen Suchttherapie sind:
- eine transparente Behandler-Patienten Beziehung auf Augenhöhe
- ein niedrigschwelliges Therapieangebot für Menschen in einem frühen
- Stadium der Abhängigkeitserkrankung
- Trinkmengenreduktion als „Motivation“ und Hinführung zur Abstinenz
- Reduktion gesundheitlicher Schäden
- das Vorhalten eines Therapieangebots für rückfällige Menschen nach
- Entwöhnungsbehandlung
Praktisches Vorgehen
Wir werden gemeinsam mit Ihnen anhand Ihres individuellen Krankheitsverlaufes, Ihrer individuellen Biographie und aktuellen Lebenssituation realistische und umsetzbare Therapieziele erarbeiten. Ihre Zielvorstellungen und Wünsche finden Gehör und es besteht für Sie als Patientin oder Patient und uns als Therapeuten eine Wahlfreiheit. Insbesondere in frühen Stadien einer Suchtentwicklung ergeben sich neue Therapieoptionen.
Durch das Abstinenzparadigma aufgebaute Hürden können auf diese Weise abgebaut werden. Sollten Sie das Abstinenzziel nicht oder noch nicht für sich annehmen, können wir neue innovative Therapieangebote in Ihre Suchtbehandlung integrieren. Im Falle, dass Sie eine Entwöhnungsbehandlung bereits abgeschlossen haben und das Abstinenzziel nicht erreichen oder halten konnten, stellt ein reduzierter Konsum im Sinne der „Schadensminderung“ eine zusätzliche Option dar.
Literatur
- Adamson, S. J., Heather, N., Morton, V., & Raistrick, D. (2010). Initial preference for drinking goal in the treatment of alcohol problems: II. Treatment outcomes. Alcohol and alcoholism, 45(2), 136-14
- Heather, N., Adamson, S. J., Raistrick, D., & Slegg, G. P. (2010). Initial preference for drinking goal in the treatment of alcohol problems: I. Baseline differences between abstinence and non-abstinence groups. Alcohol and alcoholism, 45 (2), 128-135.
- Körkel, J. (2014). Alkoholtherapie: Vom starren Abstinenzdogma zu einer patientengerechten Zielbestimmung. Suchtmed 16 (5) 211-222
- Mann, K., Körkel, J. (2013). Trinkmengenreduktion: ein ergänzendes Therapieziel bei Alkoholabhängigen. PPT 20 (5), 193-198.
- Mundle, G., Aldenhoff, J. (2013). Offene Fragen an ein modernes Suchthilfesystem. PPT 20 (5), 225-230.
- Vaillant, G. E. (1996). A long-term follow-up of male alcohol abuse. Archives of General Psychiatry, 53(3), 243-249.