Achtsamkeit und Psychotherapie
Die Verbindung von Achtsamkeit und Psychotherapie ermöglicht eine qualitativ neue Form der Behandlung und Beziehung zur eigenen Erkrankung. Unabhängig von der Übungspraxis steht ein innovatives Therapiekonzept für alle zur Verfügung – sowohl für „Achtsamkeits“-Erfahrene als auch für „Achtsamkeits“-Skeptiker.
Eine neue Beziehung zur eigenen Erkrankung aufbauen
Die Verbindung von Achtsamkeit und Psychotherapie ermöglicht eine neue Form ganzheitlicher Behandlung. Achtsamkeit ist das bewusste Wahrnehmen und Erfahren des gegenwärtigen Augenblicks in einer annehmenden nicht wertenden Haltung. Dies ermöglicht, mit uns selbst in Kontakt zu sein und uns über die eigene Situation im gegenwärtigen Moment bewusst zu werden. In dieser akzeptierenden Grundhaltung können wir Stress, Ängste, Traumata, Depression oder Abhängigkeitserkrankungen mit dem nötigen inneren Abstand betrachten, ohne verleugnen zu müssen.
Diese qualitativ neue Beziehung zur eigenen Krankheit hilft uns, unangenehme und teilweise überfordernd erscheinende Belastungs- und Gefühlszustände anzunehmen und einer therapeutischen Bearbeitung zugänglich zu machen. Quälende Emotionen, Schmerzen und Ängste lösen sich zunehmend auf. Innere Räume lassen Lösungswege entstehen und führen zu einem gelasseneren Umgang mit der eigenen Erkrankung.
An inneren Werten und Zielen orientierte Wege entdecken
Achtsamkeitsübungen sind schlicht, aber nicht einfach. Eine tägliche Übungspraxis ist ideal und kann im Verlauf der Behandlung individuell entwickelt und aufgebaut werden. Die Gruppe als unterstützender Faktor spielt dabei eine zentrale Rolle. Die idealerweise tägliche Übungspraxis weckt unsere von Natur aus vorhandenen Selbstheilungskräfte und ermöglicht eine neue Form innerer Orientierung und Verankerung. Die Achtsamkeitspraxis hilft uns, bereits vorhandene Werte, Bilder und Wünsche wieder zu entdecken oder klarer zu sehen. Auf diese Weise eröffnen sich uns neue, kreative und individuelle Handlungswege.
Anerkannte achtsamkeitsbasierte Psychotherapieverfahren
Wirksame achtsamkeitsbasierte Psychotherapieverfahren sind u.a. die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie (MBCT), die Achtsamkeitsbasierte Rückfallprävention bei Abhängigkeitserkrankungen (MBRP) oder die Commitment und Akzeptanztherapie (ACT). Bei Depressionen, Angstzuständen oder Suchterkrankungen lernen Sie als Patienten, ihre momentanen Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen oder Handlungsimpulse wahrzunehmen. Frühwarnsignale eines beginnenden Rückfalls in eine Depression, einen Angstanfall oder einen erneuten Suchtmittelkonsum werden rechtzeitig erkannt; unterstützende und hilfreiche Massnahmen können ergriffen und ein erneuter Rückfall in eine Depression oder einen erneuter Suchtmittelkonsum können verhindert werden.
Therapiekonzept für Achtsamkeits-Erfahrene und Skeptiker
Die achtsamkeitsbasierten Psychotherapiemethoden und die daraus resultierenden Lösungswege sind zieloffen und werden unabhängig von Ihrer bisherigen Übungspraxis flexibel an Ihre individuellen Bedürfnisse angepasst. Damit steht ein praxisorientiertes und innovativ ausgerichtetes Therapiekonzept für alle zur Verfügung – sowohl für „Achtsamkeits“-Erfahrene als auch für „Achtsamkeits“-Skeptiker.
Literatur
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